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Studie aus 2021: Führen Fertiggerichte zu CED?

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Schon seit Jahren gibt es Überlegungen, ob industriell hergestellte Nahrung und Fertiggerichte mit zu den Ursachen für chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn gehören. Ein Hinweis darauf könnten die höheren Fallzahlen in entwickelten westlichen Ländern und in den letzten Jahren auch Ostasien sein. Nun unterstützt eine internationale Studie diese Vermutung. Hier findest du die Ergebnisse der Studie verständlich erklärt.

Aktuelle Entwicklung

Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn waren in Europa und Nordamerika noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts seltene Erkrankungen. Mittlerweile zählen sie dort zu den häufigsten schweren Darmerkrankungen und betreffen vor allem junge Menschen. Auch in einigen Staaten Ostasiens steigen die Fallzahlen stark an. Auffällig ist dabei, dass dies dort zeitgleich mit der fortschreitenden Übernahme westlicher Ernährung und Lebensweise geschieht.

Man könnte also leicht daraus schließen, dass eine Ernährung mit hohen Anteilen industriell verarbeiteter Nahrung häufiger zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen führt. Genau diese Frage hat die angesprochene Studie genauer untersucht.

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Verbreitung von Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn in Großbritannien

Die Studie

Die Studie, um die es hier geht, erschien im Juni 2021 im British Medical Journal. Ihr findet den vollen Text hier.

Um die Ergebnisse einschätzen zu können, ist es wichtig zu wissen, wer und was genau untersucht wurde:

  • 116.087 Erwachsene im Alter von 35-70 Jahren
  • aus 21 Ländern mit geringem, mittlerem und hohem Einkommensniveau
  • und aus Europa, Nord- und Südamerika, Afrika, dem mittleren Osten, Süd- und Südostasien sowie China

Die Studie ist also schonmal wirklich nahezu weltweit angelegt und umfasste viele Patienten mit verschiedenen Lebensstilen. Mit dem Altersbereich 35-70 Jahre liegen die Teilnehmer allerdings außerhalb des typischen Erkrankungsalters von ca. 15-25 Jahren.

Diese Studienteilnehmer wurden dann zwischen 2003 und 2016 für mindestens 3 Jahre beobachtet. Es handelt sich also um eine reine Beobachtungsstudie. Die Teilnehmer lebten ihr Leben unverändert weiter und es gab keine gleichen Bedingungen. Für die Ergebnisse zu CED wurden folgende Daten ermittelt:

  • Die Teilnehmer füllten einen Fragebogen zu ihrem Essverhalten aus.
  • Es wurde ermittelt, ob ein Teilnehmer im Laufe der Studienzeit an Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn erkrankte.

In der Methodik ist die Studie also eigentlich ziemlich simpel. Schauen wir uns nun die Ergebnisse an!

Die Ergebnisse

Im Median wurden die Teilnehmer über fast 10 Jahre hinweg beobachtet und eventuelle CED-Erkrankungen dokumentiert. Dies zeigte folgende Ergebnisse:

  • 467 der rund 116.000 Teilnehmer erkrankten an einer CED. Das sind 0,4%.
  • Von den 467 Personen erkrankten 90 an Morbus Crohn und 377 an Colitis Ulcerosa.
  • Unter den Erkrankten waren fast 2-mal häufiger Menschen, die laut Fragebogen häufig „Ultra-processed foods“, also stark verarbeitete Fertiggerichte, essen.

Aus diesen Daten konnten die Forscher auch konkrete Risiko-Werte bestimmen. Menschen, die zwischen einer und vier solcher Nahrungsportionen pro Tag aßen, hatten ein 67% höheres Risiko an CED zu erkranken, als Menschen, die nur eine Portion täglich verzehrten. Bei mehr als fünf Portionen am Tag lag das Risiko sogar bei 82%. Dabei gab es bei Morbus Crohn einen stärkeren Zusammenhang als bei Colitis Ulcerosa.

Auch einzelne Arten von Lebensmitteln wurden untersucht. Dabei zeigte sich:

  • Vor allem Erfrischungsgetränke, stark gesüßte Lebensmittel, salzige Snacks und verarbeitetes Fleisch erhöhten das Risiko.
  • Unverarbeitetes Geflügelfleisch, unverarbeitetes rotes Fleisch, Milchprodukte, Stärke und Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte erhöhten das Risiko nicht.
  • Auch ein erhöhter Konsum von Salz erhöhte das Risiko nicht.

Dabei fallen zwei Dinge besonders auf:

  • Salzige Snacks erhöhten das Risiko, Salz an sich aber nicht.
  • Verarbeitetes Fleisch erhöhte das Risiko, unverarbeitetes Fleisch aber nicht.

In der Analyse der Studie weisen auch die Wissenschaftler darauf hin. Sie schließen daraus, dass das Risiko nicht von den Lebensmitteln selbst abhängt. Vielmehr komme es darauf an, wie stark die Lebensmittel verarbeitet worden sind.

Zusammengefasst wurde in der Studie also deutlich, dass in der Beobachtung die Menschen, die viel verarbeitete Nahrung aßen, auch häufiger an Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn erkrankten. Außerdem gab es keine Zusammenhänge zu bestimmten Lebensmitteln, sondern nur zu deren Verarbeitungszustand.

Mögliche Erklärungen

Rein intuitiv liegt es nahe, dass die Ernährung einen Einfluss auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen hat. Immerhin passieren alle Lebensmittel und damit auch die meisten Zusatzstoffe den Darm. Aromen, Stabilisatoren, Emulgatoren und Konservierungsmittel könnten zum Beispiel die Darmschleimhaut schädigen und so Bakterien das Eindringen ermöglichen. Dies könnte das Immunsystem im Darm durcheinanderbringen und zu den Krankheiten führen.

In Tierversuchen wurde zum Beispiel bereits gezeigt, dass Emulgatoren wie Carboxymethylcellulose oder Polysorbat 80 bereits in geringer Konzentration die Schleimhaut im Darm schädigen und das Eindrin­gen von Bakterien erleichtern.

Gleichzeitig muss man natürlich auch die Studie mit Vorsicht betrachten. Die Teilnehmer wurden nur einmal mit einem Fragebogen zu ihrer Ernährung befragt. Dies ist natürlich eine sehr subjektive Datenerhebung. Auch die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die Studie nur ein weiterer Hinweis ist und dieser Verdacht genauer untersucht werden muss.

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Ich persönlich glaube außerdem, dass man bei der Ernährung noch genauer unterscheiden sollte. Auch unverarbeitetes Fleisch kann beispielsweise Rückstände von Medikamenten enthalten, sodass die Trennung verarbeitet-unverarbeitet nicht unbedingt auch ungesund-gesund bedeutet. Dennoch sind die Ergebnisse natürlich interessant und bringen die Suche nach der Ursache von Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn ein Stückchen weiter!

Quellen:
Narula N, Wong E C L, Dehghan M, Mente A, Rangarajan S, Lanas F et al. Association of ultra-processed food intake with risk of inflammatory bowel disease: prospective cohort study BMJ 2021; 374 :n1554 doi:10.1136/bmj.n1554,

Studie: Fertignahrungsmittel erhöhen Risiko auf entzündliche Darmerkrankungen, aerzteblatt.de

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3 Antworten auf „Studie aus 2021: Führen Fertiggerichte zu CED?“

Hi Lasse, zunächst einmal bin ich sehr dankbar für deinen Blog! Er ist super geschrieben und die Seite selbst extrem übersichtlich.
Ich habe seit 10 Wochen Durchfall und seit einer Woche zunächst (nach einer Koloskopie) „nur“ den sehr starken Verdacht auf CU. Nach Histologie ist es dann wohl sicher. Ich habe seit November 2021 extrem viel verarbeiteten Mist in mich hineingestopft (ohne zuzunehmen, bin Sportjunkie), von dem ich und jeder andere weiß, dass nicht sonderlich gut sein kann. Ein Beispiel dafür sind ne Tüte Chips, 2 Tafeln Kinder Country und ne Tüte Haribo am Abend. Das zwar nicht immer, aber durchaus regelmäßig. Dann habe ich plötzlich Durchfall bekommen. Das mag Zufall oder anekdotisch sein, aber das ist der Grund, warum der Zusammenhang hoch verarbeitete Lebenmittel — CED für mich durchaus naheliegt.

Hey Benjamin, danke für dein gutes Feedback und schön, dass dir der Blog weiterhelfen kann! Ich drücke dir natürlich die Daumen, dass du es nicht mit Colitis zu tun hast. Falls doch, dann melde dich gern bei Fragen!
Alles gute!

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