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Colitis Ulcerosa Erfahrungsbericht: Peter (45)

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Der Verlauf einer Colitis Ulcerosa ist extrem individuell. Genauso sind es die Erfahrungen, die Patienten mit der Erkrankung machen. Um einen Einblick in solche Erfahrungen zu geben, erscheinen an dieser Stelle die Colitis Ulcerosa Erfahrungsberichte von Leserinnen und Lesern des Blogs. Heute berichtet Peter, der schon seit seiner Jugend Beschwerden hatte, aber die Diagnose erst mit 42 erhielt. 2021 entschied er sich aufgrund von Nebenwirkungen für eine Operation und wählte statt dem Pouch direkt ein dauerhaftes Stoma. Danke Peter, dass du deine Erfahrungen teilst!

Du hast auch Erfahrungen mit Colitis Ulcerosa, Stoma oder Pouch und möchtest sie teilen? Schreibe mir hier eine Nachricht!

Allgemeines

Name: Peter
Alter: 45 Jahre

Wie alt warst du, als du die Diagnose bekommen hast und wie hast du dich damit gefühlt?

Die Diagnose habe ich im Juli 2020 im Alter von 42 Jahren erhalten. Mir ging es zum Zeitpunkt der Diagnose so schlecht, dass sie mir relativ egal war. Denn, dass ich eine Erkrankung hatte, wusste ich für mich schon lange. Nur die unzähligen Ärzte, Krankenhausaufenthalte und Spiegelungen konnten es über Jahrzehnte nicht herausfinden.

Wie sah dein Leben mit der Colitis Ulcerosa aus?

Bereits seit meiner Geburt hatte ich Durchfälle, in der Jugend schlimme Bauchkrämpfe und immer wieder Durchfälle. Das zog sich mein ganzes Leben durch und wurde von Jahr zu Jahr schlimmer. Im Jahr 2012 hatte ich das erste Mal Schleim am Stuhl, in 2016 gab es das erste Mal für kurze Zeit Blutbeimengungen. Anfang 2019 musste ich für 6 Wochen Antibiotika nehmen und danach wurde es deutlich schlimmer. Die Ärzte sagten immer nur, dass es ein Reizdarmsyndrom sei und eben psychosomatisch. Ich glaubte daran nie wirklich.

In meinem Berufsalltag habe ich immer versucht mir nichts anmerken zu lassen und bin meist zur Arbeit gegangen, auch wenn es eigentlich nicht ging. Schmerzfreie Tage gab es über Jahre nicht, aber es war auf irgendeine Art und Weise für mich fast normal, auch wenn es unheimlich belastend war.

Im Mai 2020 kam zu den Durchfällen viel Blut dazu. Von Juli bis September 2020 lag ich mit kurzen Unterbrechungen mit massivem Blutverlust und täglich bis zu 40 rein blutigen Stuhlgängen in der Uniklinik Heidelberg. Der Calprotectin-Wert lag bei über 2.000. Im September 2020, also gerade mal 5 Monate nachdem mir ein Arzt wiederum gesagt hatte, dass alles psychosomatisch sei, diskutierte die Chefärztin mit mir über eine Not-OP zur Entfernung des gesamten Dickdarms. Damit war ich völlig überfordert. So weit kam es aber dann vorerst nicht.

Welche Therapieformen hast du ausprobiert? Haben sie gewirkt?

Begonnen hat es mit Mesalazin und Cortison im Mai 2020, was überhaupt nicht wirkte, egal in welcher Dosierung. Im August bekam ich Remicade, was nur wenige Tage ein klein wenig Erleichterung brachte. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich mich vorerst gegen die Not-OP entschied, wurde mir Cortison, Entyvio und Tacrolimus gleichzeitig verabreicht. Besonders Tacrolimus war es, was mich zumindest mal aus dem Krankenhaus rausgebracht hat.

An Weihnachten 2020 versagte dann Entyvio. Im Februar 2021 wurde auf die Kombi Stelara und Tacrolimus umgestellt. Es hat keine Woche gebraucht und ich hatte normalen Stuhlgang und kein Blut mehr. Dieses Wunder hielt aber nur für 3,5 Monate. Und ich hatte zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Nebenwirkungen von den Medikamenten sowie einen CMV- und HPV-Virus. Die schlimmste Nebenwirkung war, dass ich mich keine zwei Minuten mehr in der Sonne aufhalten konnte und nur noch vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang rausgegangen bin. Ansonsten hat es sich in der Sonne angefühlt, als sei ein Laser auf mich gerichtet und ich würde verbrennen.

Wann und wieso hast du dich für die Operation entschieden?

Als man mich im Juni 2021 auf die Kombi Azathioprin und Jyseleca umstellen wollte, weil sich durch Tacrolimus meine Nierenwerte verschlechtert haben (und bis heute nicht erholt haben) war, insbesondere vor dem Hintergrund der vielen Nebenwirkungen, der Punkt für mich gekommen, dass ich mich für die OP entschieden habe. Zudem habe ich an keine medikamentöse Therapie mehr geglaubt.  

Für welche OP hast du dich entschieden?

Aufgrund meines schweren Verlaufes und der großen OP-Angst mitsamt den möglichen Komplikationen wollte ich alles in einer OP hinter mir haben. Daher habe ich mich gegen einen Pouch und für ein endständiges Ileostoma entschieden. Zur Stabilisierung des Beckenbodens sollten nur 2cm Hartmannstumpf mit Schließmuskel stehen bleiben.

Wo wurdest du operiert?

Ich habe mich für Prof. Dr. Kienle im Theresienkrankenhaus Mannheim entschieden.

Wie verliefen die Operationen und wie hast du sie empfunden?

Aus meiner gewünschten einen OP wurden leider doch vier OPs.

1. OP, Entfernung des Dickdarms: Es verlief alles planmäßig. Die OP dauerte 6 Stunden. Lasse hat in seinem Bericht den OP-Ablauf sehr gut beschrieben und da er wenige Wochen vor mir dran war, war er eine Art Benchmark für mich. Das hat mir sehr geholfen hat, da ich immer grob wusste, was auf mich zukommt und wie schnell die Heilung gehen kann.

2. OP: Wenige Wochen nach der 1. OP hat sich ein Abszess oberhalb des Hartmannstumpfs gebildet, welcher über den Po geöffnet werden musste. Die Wunde musste danach von selbst zugranulieren, was sehr lange gedauert hat.

3. OP: Da ich innerhalb des ersten Jahres zwei Darmverschlüsse hatte, musste der Bauch nochmals laparoskopisch aufgemacht werden, um zu schauen, was los ist. Mein Dünndarm hatte sich verdreht und ums Stoma aufgewickelt. Das Stoma musste an derselben Stelle neu angelegt werden.

4. OP: Es hat sich wiederrum Flüssigkeit oberhalb des Hartmannsstumpfes angesiedelt und er hat laufend geblutet und Schleim abgesondert. Die 2cm Hartmannsstumpf wurden samt innerem Schließmuskel entfernt. Der äußere Schließmuskel bleibt wegen der Beckenbodenstabilität drin.

Da diese OP gerademal eine Woche her ist, kann ich noch nicht über Erfolg / Misserfolg sprechen, da auch hier über Monate die Wunde von selbst zugranulieren muss. Insgesamt ist nach der 1. OP meine Angst weitestgehend verflogen. Während ich bei der 1. OP noch einen Blutdruck von über 180 und einen Puls von 120 hatte, lag der Blutdruck bei der letzten OP bei 130 und einem Puls von 70. Die Schmerzen bei der 1. OP waren sicherlich am größten, aber dank Schmerzmittel gut auszuhalten. Jede OP bringt im Vorfeld eine Anspannung mit sich, ob auch alles glatt läuft, aber alles ist besser als eine aktive Colitis zu haben.

Du hast Fragen an Peter? Schreibe mir hier eine Nachricht und ich leite sie gerne an ihn weiter!

Wie viel Zeit lag zwischen den OPs?

Zwischen der ersten und zweiten OP lagen 6 Wochen, dann waren 9 Monate Pause bis zur 3. OP und 5 Monate bis zur Entfernung des Hartmannsstumpfes.

Seit wann lebst du mit Stoma?

Mein Fridolin Fröhlich, so heißt mein Stoma, hat am 12. August 2021 das Licht der Welt erblickt.

Was hat sich durch die OPs in deinem Leben verändert?

Die OPs haben mir Dankbarkeit auf einem ganz anderen Level aufgezeigt. In seinem „normalen“ Leben redet man immer mal, dass man für das ein oder andere dankbar sein muss. Gespürt, was Dankbarkeit wirklich ist, habe ich erst als der Colitis-Schmerz weg war, der morgentliche Druck weg war wie viel Blut heute aus dem Darm kommt und man keine immunsupprimierenden Medikamente mit so vielen Nebenwirkungen mehr nehmen musste.

Ich bin auch selbstbewusster geworden, weil ich gesehen habe, dass es manchmal viel Mut benötigt schwere Entscheidungen zu treffen. Und die OPs und Krankenhausaufenthalte haben mir gezeigt, dass ich zwar einen schweren Verlauf hatte, aber es viele Menschen gibt, denen es noch viel schlechter geht als mir.

Wie gefällt dir das Leben mit Stoma?

Das Schönste in meinem Leben seit der Stoma-Anlage ist das Abschließen meiner Wohnungstür. Jedes Mal, wenn ich das tue, genieße ich den Moment nicht darüber nachdenken zu müssen, wann ich vielleicht wieder zur Toilette muss und wo diese ist. Dieser Moment ist mit großer Dankbarkeit verbunden. Die ersten 15 Monate waren mit den vier OPs und zwei Darmverschlüssen turbulent und auch schmerzhaft, von daher bin ich noch nicht in vollem Maße in dem Leben angekommen, dass ich es genießen könnte.

Ich bin aber zuversichtlich und genieße trotzdem jeden Tag den Colitis-Schmerz nicht mehr zu haben und vor allem keine immunsupprimierenden Medikamente mehr mit den ganzen Nebenwirkungen einnehmen zu müssen.

Welche Tipps würdest du jemandem geben, der gerade vor der Entscheidung zur OP steht?

Setze Dich mit dir selbst und der gesamten Thematik einer medikamentösen und operativen Therapie auseinander. Denn keiner kennt dich besser als du selbst. Eine entscheidende Frage sollte sein, wie du mit deiner Psyche zurechtkommst – denn die steuert, wie viel Kraft du generieren kannst. Stell dir jeweils den Worst Case vor und überlege, was du aushalten kannst und willst. Hole dir dabei genauso viele positive wie negative Erfahrungsberichte ein.

Fordere bei einem Stomabeutel-Produzenten ein Muster an, fülle den Beutel mit Wasser und klebe ihn für 24-48 Stunden an Deinen Bauch. Ziehe verschiedene Kleidung an, unternimm etwas damit und schaue wie du dich damit fühlst. Sollte ein Pouch (aus welchen Gründen auch immer) nicht funktionieren, wirst du immer beim Stoma landen – in dem Fall dein Worst Case.

Das allerwichtigste, wenn Du Dich für ein Stoma entscheidest: Schau zusammen mit der Stomatherapeutin im Krankenhaus genau hin, wenn die geplante Stelle für das Stoma angezeichnet wird. Es darf auf keinen Fall im Bereich einer Bauchfalte angelegt werden, sonst unterläuft dir ständig die Stomaplatte und du hast nur Ärger, ein Leben lang. Und es gibt so viele Fälle, wo nicht darauf geachtet wird. Dieser Moment ist die Basis für ein gut angelegtes Stoma!

Du hast auch Erfahrungen mit Colitis, Stoma oder Pouch und willst sie teilen?

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