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Colitis Ulcerosa Erfahrungsbericht: Benni (20)

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Der Verlauf einer Colitis Ulcerosa ist extrem individuell. Genauso sind es die Erfahrungen, die Patienten mit der Erkrankung machen. Um einen Einblick in solche Erfahrungen zu geben, erscheinen an dieser Stelle die Colitis Ulcerosa Erfahrungsberichte von Leserinnen und Lesern des Blogs. Den Anfang macht heute Benni, der (genau wie ich) an einem sehr schweren Verlauf litt und sich deshalb für eine Operation entschieden hat. Danke Benni, dass du deine Erfahrungen teilst!

Du hast auch Erfahrungen mit Colitis Ulcerosa, Stoma oder Pouch und möchtest sie teilen? Schreibe mir hier eine Nachricht!

Allgemeines

Name: Benni
Alter: 20 Jahre

Wie alt warst du, als du die Diagnose bekommen hast und wie hast du dich damit gefühlt?

Ich war 17 und habe versucht, es so schnell wie möglich zu akzeptieren, weil ich wusste, dass alles andere sowieso nichts hilft. Dennoch konnte ich es sehr lange nicht realisieren, dass ich nun eine Krankheit habe.

Wie sah dein Leben mit der Colitis Ulcerosa aus?

Ich habe mich täglich morgens mit dem Bus zur Schule gequält. Irgendwann war es so schlimm, dass ich schon um 5 Uhr aufgestanden bin, wenn ich um 7:45 Uhr Schule hatte, damit ich 2-mal aufs Klo gehen konnte, bevor der Bus kam. Trotzdem hatte ich im Bus dann immer noch Bauchschmerzen. Das ging dann erst wieder, wenn ich in der Schule war. Also psychisch bringt einen CU schon sehr an die Grenzen. Zur schlimmsten Zeit war ich 5 Monate lang 30-mal pro Tag auf dem Klo. Ich lag dann nur noch daheim auf der Couch oder im Bett und habe teilweise einfach vor dem Klo geschlafen, da ich eh gleich wieder musste.

Welche Therapieformen hast du ausprobiert? Haben sie gewirkt?

Alle. Also wirklich alle. Begonnen hat es mit Kortison, Mesalazin und so weiter. Dann kam irgendwann eine Therapie mit Spritzen und gegen Ende dann nur noch Infusionen wie Adalimumab. Zu Beginn hat Kortison noch sehr gut geholfen; die Nebenwirkungen waren aber stets zu erkennen. Nach ca. 1-2 Monaten verloren die Therapien aber immer ihre Wirkung.

Wann und wieso hast du dich für die Operation entschieden?

Im Mai 2021, da es zum einen keine andere Therapiemöglichkeit mehr gab und zum anderen ich keinerlei Nebenwirkungen mehr haben wollte. Der größte und wichtigste Grund aber war, nie wieder ans Klo gefesselt zu sein und selber entscheiden zu können wann man geht. Ich wollte wieder ein Leben haben und da war dies für mich die einzige Möglichkeit.

Für welche OP hast du dich entschieden?

Für die J-Pouch OP aufgeteilt in drei Teil-Operationen.
Bei der ersten wurde der Dickdarm entfernt und ein Stoma angelegt.
Bei der zweiten (die heftigste von allen) wurde der J-Pouch gebildet und das Stoma zu einem doppelläufigen Stoma geändert.
Bei der letzten OP wurde das Stoma dann zurückverlegt und der Pouch aktiviert.

Wo wurdest du operiert?

Ich wurde in der Uniklinik Würzburg operiert. Mein Rat an alle ist auch, diese Operationen immer in einer Uniklinik machen zu lassen.

Wie verliefen die Operationen und wie hast du sie empfunden?

Schon mal im Voraus: alle liefen perfekt!


Bei der ersten OP musste ich zum letzten Mal in meinem ganzen Leben Abführmittel nehmen. Dieser Gedanke hat mich immer noch mehr motiviert, denn das war für mich immer das Schlimmste; gerade auch bei Darmspiegelungen. Außerdem bekam ich einen Schmerzkatheter in das Rückenmark. Der tat auch nicht weh und wenn man ihn gelegt bekommt, ist das durch die Betäubung sogar ganz angenehm. 😉


Als ich dann nach ein paar Stunden wieder aufgewacht bin, habe ich erstmal ganz viel geschlafen. Erst am nächsten Tag konnte ich mir alles genauer anschauen. Nach der OP war ich noch eine Woche im Krankenhaus und durfte dann nach Hause. Die Schmerzen waren immer auszuhalten.

Du hast Fragen an Benni? Schreibe mir hier eine Nachricht und ich leite sie gerne an ihn weiter!


Die 2.OP war dann durchaus heftiger. Sie lief sehr gut, hatte aber auch ihren Preis. Die Schmerzen nach der OP waren ein bisschen stärker, konnten aber durch verschiedene Schmerzmittel gut behoben werden. Diese OP kann einiges an Komplikationen mitbringen. Aber keine Angst, es ist alles irgendwie auszuhalten und es lohnt sich enorm. Ich hatte aber auch einige Komplikationen: Verschiedene Nerven wurden verletzt, ich hatte Harnverhalt und bekam deswegen verschiedene Blasenkatheter. Übelkeit und ständiges Erbrechen kamen dazu. Aber nach 2 Wochen Krankenhaus wurde ich entlassen und nach 3 Wochen konnte ich auch Gott sei Dank wieder normal Wasser lassen.


Die 3. OP ist dann nur noch ein kleiner Eingriff, sollte aber nicht unterschätzt werden. Sobald der Pouch aktiv ist, kann man zwar wieder normal aufs Klo, aber man muss auch die ersten Tage/Wochen wieder öfter. Bei mir waren es 15-mal am Tag, wurde aber langsam immer weniger. Und eine der schönsten Sachen daran ist, dass man kontrollieren kann wann man geht. Man muss sich die ersten Monate wirklich auch zwingen mal eine Stunde hinauszuzögern und den Beckenboden zu trainieren, denn das lohnt sich auf jeden Fall.

Wie viel Zeit lag zwischen den OPs?

Meine Operationen waren über ein gutes halbes Jahr verteilt:
1.OP: 19.05.2021
2.OP: 13.10.2021
3.OP: 24.01.2022

Seit wann lebst du mit Pouch?

Seit inzwischen 8 Monaten.

Was hat sich durch die OPs in deinem Leben verändert?

Ich habe ein neues lebenswertes Leben bekommen. Durch die Colitis Ulcerosa war ich wie ein Sklave der Krankheit. Aber jetzt habe ich wieder die Kontrolle über die Klogänge.

Wie gefällt dir das Leben mit Pouch?

Man muss immer den Vergleich zu den Zeiten mit der Colitis Ulcerosa bedenken. Im Vergleich dazu ist mein Leben jetzt ein Traum. Ich liebe es. Ich kann Sachen machen, die ich in Zeiten mit der Krankheit niemals in Erwägung gezogen hätte. Ich hätte mich nie getraut, in Großstädte zu gehen. Jetzt studiere ich in einer. Es wird langsam immer besser und von außen gesehen sieht man mir nicht mal an, dass ich eine Schwerbehinderung habe. Klar gibt’s Tage die nicht so schön sind, aber die sind bisher niemals so schlimm wie mit Colitis!


Es kommt einfach darauf an was man isst. Momentan muss ich 6- bis 8-mal am Tag aufs Klo. Es ist aber wichtig vieles auszuprobieren, damit sich der Pouch mit der Zeit daran gewöhnen kann und der Stuhlgang fester wird.


Meine größten Wünsche und Träume kurz vor der OP waren es wieder Fußball im Leistungsbereich spielen zu können und ohne zu Bedenken in Menschenmengen zu gehen. Jetzt, nach 3 OPs, viel Geduld und Rücksicht auf den Körper sind all diese Dinge in Erfüllung gegangen. Und ich bin noch lange nicht am Ende. Es heißt nach 1-1,5 Jahren hat sich der Pouch komplett dran gewöhnt zu arbeiten.

Welche Tipps würdest du jemandem geben, der gerade vor der Entscheidung zur OP steht?

Wenn du es satthast, kraftlos und psychisch labil durch die Colitis Ulcerosa dein „Leben“ zu leben, dann kann ich dir diese OPs nur empfehlen. Klar hatte ich enorm Glück, dass bei mir alles gut lief und mein Körper so gut mitmacht. Ich denke so etwas Gott abzugeben ist das Allerbeste. Lege all deine Sorgen und Ängste in Gottes Hand, dann wird er dich dafür auch belohnen. Er sorgt dafür, dass am Ende alles gut wird. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende! 😉


Und wichtige Tipps für die, die den Schritt gewagt haben:
Holt euch vor der Rückverlegung gute Zinksalben, Feuchttücher und zu Beginn sogar ein Bidet. Das rettet euch dann im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch 😉 Habt Geduld, es wird langsam Schritt für Schritt immer besser!

Du hast auch Erfahrungen mit Colitis, Stoma oder Pouch und willst sie teilen?

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