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Operation J-Pouch

J-Pouch Erfahrungsbericht #6: Tag 1-3 nach der Kolektomie

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Die Kolektomie ist erfolgreich überstanden, jetzt geht es an die Regeneration. In den ersten drei Tagen nach der Operation läuft aber nicht alles wie gewünscht: Ich bekomme hohes Fieber, dessen Ursache eine Infektion zu sein scheint. Während ich noch mit den Folgen der OP zu kämpfen habe, suchen die Ärzte nach der Ursache und beginnen die Behandlung. Währenddessen werde ich auf eine andere Station verlegt. Alles im Detail beschreibt euch Teil 6 dieses J-Pouch Erfahrungsberichts.

Samstag, 12.06.21, Tag 1

Die erste Nacht nach der Kolektomie läuft relativ gut. Ich werde nur einige Male wach und kann mit der Schmerzpumpe die Schmerzen gut kontrollieren. Sie sind nie stärker als 6/10 und wirklich aushaltbar. Am Morgen ist die Pumpe allerdings leer. Das wird durch ein lautes Piepen mitgeteilt, nachdem ich den Knopf der Fernbedienung gedrückt habe. Statt dem nötigen Schmerzmittel kommt also nur das Piepen. Nicht so toll, ich habe ja nicht ohne Grund gedrückt…

Also gebe ich den Pflegern Bescheid und bitte um ein schnelles Auffüllen des Schmerzmittels. Leider läuft die Pumpe erst 90 unangenehme Minuten später wieder, weil die Aufgabe im morgendlichen Stress wohl untergegangen ist. Um mich großartig zu ärgern bin ich zu erschöpft. Die Aktion zeigt aber: Die Schmerzmittel leisten gute Arbeit und ich bin wirklich darauf angewiesen.

Nach dem Aufwachen fällt mir außerdem auf, dass ich doppelt und verschwommen sehe. Weder die Nachrichten auf meinem Handy, noch die Uhr im Zimmer kann ich vernünftig erkennen und lesen. Die Ärzte beruhigen mich bei der Visite aber, dass dies höchstwahrscheinlich vom Schmerzmittel kommt. Die Augenprobleme werden auch schnell besser. Spätestens drei Tage nach der OP konnte ich wieder normal sehen.

Ich kann mich eigenständig an die Bettkante setzen und darf in kleinen Schlucken das erste Wasser trinken. Als ich dies einige Stunden später noch immer gut vertrage, bekomme ich zum Mittagessen Trinknahrung angeboten. Trotz winziger 150ml Portionen bekomme ich diese aber nicht runter, ich habe einfach keinen Appetit.

Trinknahrung, rund 24h nach der Operation. Ich habe aber noch keinen Appetit.

Das Stoma fördert währenddessen schon permanent. Dies ist ein kritischer Aspekt nach der Operation, da die Narkose das gesamte Verdauungssystem lahmlegt. Glücklicherweise begann mein Stoma schon am Abend nach der OP seine Arbeit. Am Samstag wird es durch einen Pfleger das erste Mal geleert. Dies dauert keine 30s und ist wirklich super einfach. Ich selbst habe diesen neuen Teil meines Körpers zu diesem Zeitpunkt schon gut akzeptiert und mache mir keinerlei Gedanken darüber.

Neben all diesen guten Nachrichten gibt es jedoch einen Grund zur Sorge: Als am Morgen meine Körpertemperatur gemessen wird, zeigt das Thermometer 39,8°C an. Da sie schon vor der OP erhöht war, machen sich die Ärzte Sorgen und befürchten eine Infektion. Ob sie schon vor der Operation vorlag oder durch diese entstanden ist, ist allerdings unklar. Außerdem könnte die erhöhte Temperatur auch einfach eine Art Schockreaktion des Körpers sein, sodass erst einmal abgewartet wird.

Den restlichen Tag verbringe ich ausschließlich im Bett. Ich schlafe viel, bin aber vollkommen klar im Kopf. Am Abend rufe ich das erste Mal meine Familie an. Das Sprechen ist allerdings ziemlich anstrengend und auf Dauer auch schmerzhaft. Ich bin heiser und spüre, dass mein Hals vom Intubationsschlauch gereizt ist. Insgesamt ist aber auch der erste Tag nach der OP definitiv aushaltbar.

Sonntag, 13.06.21, Tag 2

Am Sonntag steigt meine Körpertemperatur leider weiter: Ich wache mit einem Fieber von 40,1°C auf. Ich selbst merke da nicht wirklich viel von, das Fiebergefühl geht in der Mischung aus all den anderen ungewohnten und unangenehmen Gefühlen unter.

Da die Temperatur weiter gestiegen ist, werden die Ärzte allerdings aktiv. Sie vermuten eine Undichtigkeit am verbliebenen Dickdarmstumpf. Damit in der zweiten Operation genügend Spielraum zum Anschließen des J-Pouchs bleibt, wird nämlich nicht der gesamte Dickdarm entfernt. Am unteren Ende verbleiben rund 15cm, die mit einer Naht verschlossen werden. Sollte diese Naht allerdings nicht dicht sein, so könnten Bakterien aus dem Dickdarm in meinen Bauchraum gelangen. Das, so die Vermutung der Ärzte, ist die wahrscheinliche Ursache für eine Infektion meines Bauchraums, welche wiederum zu dem hohen Fieber führt.

Aus diesem Grund komme ich gegen Mittag ins CT. Dort soll getestet werden, ob dieser sogenannte Rektumstumpf dicht ist. Ich mache vor der Untersuchung einen entscheidenden Fehler, den ihr bitte nicht wiederholt: Als die Pflegerin in meinem Zimmer die Infusionen abstöpselt, damit ich zum CT gebracht werden kann, entfernt sie auch die Schläuche der Schmerzpumpe. Mir fällt das leider erst auf, als die Ärzte im CT von mir verlangen, vom Bett auf die Liege des CTs zu klettern. Die Bewegungen fallen mir sehr schwer, da ich mich alleine kaum aufrichten kann. Mit der Schmerzpumpe wäre die Untersuchung deutlich angenehmer gewesen. Ich schwöre mir, die kleine Fernbedienung samt schwarzer Tasche am Infusionsständer ab sofort nicht mehr aus den Augen zu lassen.

Die Untersuchung im CT selbst ist mindestens genauso unangenehm und überschreitet in den Schmerzen tatsächlich alles, was die OP bei mir ausgelöst hat. Dieses erstes CT würde ich in der Spitze mit 7/10 für rund 60 Sekunden bewerten. Die Schmerzen sind auch absolut nachvollziehbar: Um die Dichtheit zu überprüfen, wird der verbleibende Dickdarmstumpf mit einem Schlauch durch den After mit Kontrastmittel gefüllt und unter Druck gesetzt. Im CT erkennen die Ärzte dann, ob Kontrastmittel austritt oder die Naht hält. Für mich heißt das aber gleichzeitig, dass die zwei Tage alte Naht unter Druck steht und sich auch dementsprechend anfühlt.

Ich sage es noch einmal: Dieses CT war schlimmer, als die OP an sich. Dabei ist wichtig zu wissen: Habt ihr keine Komplikationen nach der Kolektomie, dann bleibt euch auch das hier erspart. Ich will also nicht abschrecken und habe es ja auch überstanden.

ct
Computertomographie [1]

Die gute Nachricht an diesem Tag: Das CT zeigt, dass die Naht hält und dicht ist. Die schlechte Nachricht: Außerdem ist zu erkennen, dass sich Flüssigkeit in meinem Bauchraum angesammelt hat. Die Ursache für das Fieber ist also tatsächlich eine Infektion im Bauch. Aber was ist die Ursache, wenn es nicht die undichte Naht ist?

Die Stationsärzte stimmen sich (an einem Sonntag!) telefonisch mit dem Chefarzt Prof. Kroesen ab. Dieser entscheidet anhand des CT-Befunds, dass mein Bauch punktiert werden soll. So kann ein möglichst großer Teil der Flüssigkeit entnommen und deren Bestandteile analysiert werden. Dies würde meinen Bauch entlasten und die Suche nach Ursache und richtiger Behandlung erleichtern.

Ich werde in die Chirurgie geschoben und habe dieses Mal die Schmerzpumpe dabei. Schon vorsorglich drücke ich auf dem Weg quasi dauerhaft die Fernbedienung. Als die Chirurgin das Punktions-Set auspackt, werde ich aber trotzdem nervös. Die Nadel der Kanüle ist mit 7cm für meinen Geschmack deutlich zu lang. Aber mir bleibt ja nicht viel anderes übrig. Also schnell noch ein paar Mal den blauen Knopf drücken…

bauchpunktion
Punktions-Set und Entnahme von Flüssigkeit: trotz 7cm Kanüle im Bauch mit Schmerzpumpe überraschend gut auszuhalten. [2]

Zu meiner großen Überraschung leisten die Schmerzmittel sehr gute Arbeit, ich spüre von der ganzen Aktion fast nichts. Während die Chirurgin in meinem Bauch rumstochert und rund 300ml Flüssigkeit entnimmt, führen wir Smalltalk und ich ärgere mich, mein Handy nicht mitgenommen zu haben. Ich hätte auf jeden Fall coole Bilder machen können, jetzt müssen welche aus dem Internet herhalten. Abbildung ähnlich 😉 Die erste Einschätzung der Ärztin: Die Flüssigkeit sieht ziemlich ungesund aus, mein Bauch scheint mit einer schweren Infektion zu kämpfen. Das macht meine Hoffnung auf eine schnelle Erholung erstmal ziemlich zunichte.

Nach der Punktion fühle ich mich aber tatsächlich erst einmal besser. Ich spüre, dass der Druck im Bauch abgenommen hat, auch wenn er noch immer steinhart und gespannt ist. Deshalb stehe ich am Abend zum ersten Mal selbstständig auf und gehe bis ins Bad. Dort sehe ich im Spiegel ebenfalls zum ersten Mal so richtig die Auswirkungen der OP.

Foto vom Tag 2 nach der OP: Stoma, 3 Schnitte der OP (zwei links oben, einer unter dem Stoma), Einstich der Punktion (unten links) und Jod-Rückstände von der OP.

Am Abend kommen dann noch die Ergebnisse der Punktion: Die entnommene Flüssigkeit wurde in die Mikrobiologie gegeben und auf ihre bakterielle Zusammensetzung hin analysiert. Ich erhalte die erste Gabe eines Antibiotikums, dass sich im Labor als wirksam gegen die Bakterien in meinem Bauch erwiesen hat. Damit geht es hoffentlich bald bergauf.

Montag, 14.06.21, Tag 3

Auch am Montag werde ich mit 40°C Fieber wach. Aber nicht nur meine Temperatur erreicht neue Höhen, auch draußen (und gefühlt auch im Zimmer) geht es über die 30°C-Marke. Ich liege den Großteil des Tages mit einem nassen Handtuch auf der Stirn im Bett und versuche jede Bewegung zu vermeiden. Trotzdem bin ich nassgeschwitzt und ziemlich fertig. Ein kleiner Fortschritt: Am Morgen gibt es mit zwei Bissen Weißbrot die erste feste Nahrung. Außerdem wird der Urinkatheter wieder entfernt und auch ohne funktioniert alles einwandfrei.

Die erste feste Nahrung am Montag, 3 Tage nach der OP.

An diesem Morgen kommt zum ersten Mal die Stoma-Therapeutin vorbei. Für mein aktuelles Befinden ist sie einen Ticken zu gut gelaunt und zu motiviert, ich versuche trotz Fieber und Erschöpfung aber zumindest zuzuhören. Sie sieht ein, dass ich heute noch nicht beim Stoma-Wechsel unterstützen kann und übernimmt alles für mich. Wirklich viele Infos bleiben nicht bei mir hängen, noch bevor sie aus dem Zimmer ist, schlafe ich wieder ein.

Dieser Schlaf hält aber nicht lange: Ich werde wach, als eine Pflegerin beginnt, meine Kleidung aus dem Schrank auf mein Bett zu werfen. Ich denke zuerst, ich hätte Halluzinationen. Sie erklärt dann aber, dass ich auf eine andere Station verlegt werden soll und sie meine Sachen dafür packt. Bis dahin wusste ich allerdings von nichts. Das beschreibt die Pflege auf der Station 14 für Unfallchirurgie auch ziemlich gut: Mehrfach gab es Situationen schlechter Kommunikation und offensichtlicher Fehler des Pflegepersonals. Auch die Situation mit der fehlenden Schmerzpumpe beim Nachfüllen hatte sich noch zweimal wiederholt.

Gerade wenn es einem so schlecht geht, können auch Kleinigkeiten das Leben unnötig schwerer machen. Deshalb war ich froh, als mir dann erklärt wurde, dass ich auf Station 11 verlegt werde: Die allgemeine Chirurgie-Station mit fast 50% Stoma-Patienten und erfahrenem Personal. Köln-Porz ist ein unglaublich gutes Krankenhaus für die OP, ich war sehr zufrieden. Aber schaut möglichst, dass ihr direkt auf die Station 11 kommt. Zwischen den Pflegekräften lagen Welten und auch die Ärzte waren auf der Station 11 viel präsenter.

Mittagessen am Montag: Ich schaffe einen Löffel Kartoffelpüree.

Die Ankunft auf der neuen Station fühlt sich an, wie der Check-In in ein Wellness-Center: „Sie haben Fieber und draußen sind es 33°C? Ich bringe Ihnen ein Wassereis.“ „Sie haben kaum Appetit und bislang hat Ihnen niemand Kaugummis gegeben? Die sind super wichtig, um die Verdauung anzukurbeln und alle Patienten bekommen welche, ich hole sofort zwei Packungen.“ Ich fühle mich direkt besser aufgehoben.

Auch meine Zimmernachbarn sind sehr sympathisch. (Das muss ich schreiben, beide werden das hier vermutlich lesen. 😛 Schöne Grüße!) Einer von ihnen wurde vier Tage vor mir operiert; sein Stoma wurde zurückverlegt. Also kennt er meine Situation und ist quasi zwei OPs voraus. Auch deshalb kommen wir gut miteinander aus und ich bekomme so einige hilfreiche Tipps. Erst eine gute Woche später merke ich: mit dieser Verlegung hat sich auch das Internet verabschiedet. Wenn auch die Medizin auf Spitzenniveau ist, in Sachen TV und Internet auf den Zimmern hängt das Klinikum noch gute 20 Jahre hinterher.

Quellen:
[1]https://de.wikipedia.org/wiki/Computertomographie#/media/Datei:Computertomograph_Sensation16.JPG
[2]https://www.thieme.de/viamedici/klinik-faecher-innere-1535/a/druck-lass-nach-23438.htm

Alle Beiträge der Serie „J-Pouch Erfahrungsbericht“ findest du auf der Übersichtsseite.

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2 Antworten auf „J-Pouch Erfahrungsbericht #6: Tag 1-3 nach der Kolektomie“

Hallo lieber Lasse, danke für Deine tollen Berichte und dass Du Deine Geschichte mit uns teilst. Du wohnst ja in München, wenn ich es richtig verstanden habe. Wie kommt es, dass Du in Köln operiert worden bist?
Viele Grüße, Cerstin

Hallo Cerstin!
Genau, ich wohne in München aber habe mich aufgrund der großen Expertise für Köln entschieden. Auch in München habe ich mich bei mehreren Chirurgen beraten lassen, Prof. Kroesen in Köln ist aber der absolute Spezialist in Deutschland. Und für eine solche große und einmalige Sache wollte ich unbedingt die bestmögliche Behandlung. Mehr zu der Auswahl des Chirurgen kannst du in Teil 2 der Berichte lesen. (https://colitisblog.de/j-pouch-erfahrungsbericht-02-chirurgische-beratung/)
Schöne Grüße
Lasse

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