Es gibt gute Nachrichten: Ich habe die zweite OP gut überstanden und bin seit gestern schon wieder zuhause. Damit ist zwar gespoilert, dass dieses Mal alles gut geklappt hat; trotzdem werde ich die Zeit natürlich ausführlich beschreiben. Alle Berichte zur zweiten OP kommen in den nächsten Tagen. Den Anfang macht in Teil 13 des J-Pouch Erfahrungsberichts der wohl wichtigste Tag auf diesem langen Weg: Der Tag der J-Pouch Operation. Was ist ein Periduralkatheter (PDK) und wie wird er angelegt? Tut der PDK in der Wirbelsäule wirklich so weh, wie man es sich vorstellt? Und wieso sollte man nach einer OP nicht alleine aufstehen? Hier gibt’s die Antworten!
Der Morgen vor der OP
Die Nacht vor der Operation verlief ruhig und ich konnte gut schlafen. Allerdings wurde die Ruhe am Morgen recht abrupt beendet. Kurz nach 6 Uhr werde ich geweckt und informiert, dass ich in rund 45 Minuten runter in den OP kann. Ich wusste, dass ich wieder für das erste Zeitfenster des Tages eingeplant war. Dennoch ging dann alles überraschend schnell. Mir wird die OP-Kleidung hingelegt und ich ziehe mich um. Als mittlerweile erfahrener Patient hatte ich mir den Bauch schon zuhause rasiert, sodass ich um halb 7 fertig in meinem Bett lag. Auch ohne bewusste Aufregung spüre ich, wie mein Herz schneller schlägt.
Kurz vor 7 kommt dann ein Pfleger rein und ich gehe davon aus, dass es nun losgeht. Aber Fehlanzeige: Ein Notfall ist dazwischengekommen, meine OP wird dahinter geschoben. Es solle aber nicht allzu lange dauern, sobald der Notfall behandelt worden sei, sei ich dran. Schlafen kann ich jetzt auch nicht mehr, sodass ich fertig vorbereitet in meinem Bett liegen bleibe und mich mit meinen Zimmerkollegen unterhalte. Auch wenn eine solche Wartezeit als Patient ziemlich unentspannt ist, hat eine Notfall-OP natürlich absolut verständlicherweise Vorrang.
Im Laufe der Zeit geht es dann noch ein wenig hin und her, bis mir dann irgendwann final mitgeteilt wird, dass ich um 11 Uhr in den OP kann. Abgeholt werde ich dann allerdings schon kurz nach 10, damit ich auf jeden Fall rechtzeitig bereitliege und die Chirurgen nicht noch lange warten müssen. Meine Zimmerkollegen wünschen mir viel Erfolg und ich werde auf bekanntem Weg in den OP Bereich geschoben. Dort verläuft erst einmal alles genau so, wie schon bei der Kolektomie: Patientenschleuse, Wechsel vom Bett auf die OP-Liege, Anästhesie-Vorbereitungsraum.
Die Operation
Im Vorbereitungsraum liege ich dann einige Minuten alleine und bin wirklich aufgeregt. Das liegt aber nicht an der Operation selbst, sondern an dem Katheter, der mir hier gelegt werden soll. Gestern hatte ich mich auf Empfehlung des Anästhesisten selbst dafür entschieden. Sein Kommentar dazu war: „Wenn jede zweite Schwangere das schafft, dann schaffen Sie das ja wohl auch.“ Aber obwohl ich mich bewusst dafür entschieden habe und ja selbst der Patient auf meinem Zimmer genau das gleiche gestern überstanden und für „deutlich weniger unangenehm, als man denkt“ befunden hat, dreht das Gehirn trotzdem ein wenig durch. Es scheint ein körperlicher Urinstinkt zu sein, sich nichts in die Wirbelsäule stechen lassen zu wollen. Wenig überraschend!
Als dann jemand kommt, werden zunächst die Vitalzeichen gemessen. Im Vergleich zur ersten OP ist alles top. Kein Fieber, „nur“ ein Puls von 110 und auch der Blutdruck ist gut. Danach folgt dann der erste Zugang an der Hand, welcher nur zum Einleiten der Narkose benötigt wird. Während dieser wird er dann durch einen Zentralvenenkatheter (ZVK) an der Halsvene ersetzt und wieder gezogen.
Und dann wird es ernst: Ich soll mich aufsetzen, die Schultern hängen lassen und mit der Wirbelsäule nach vorne in mich zusammensacken. Für alle mit Schreibtisch-Job also einfach die Arbeitshaltung einnehmen! 😛 Ein Anästhesist kommt rein und beginnt mit der Prozedur. Dabei erklärt er alle Schritte ausführlich, damit ich weiß, was passieren wird.
Zuerst desinfiziert er den Rücken mehrfach ausführlich und klebt alles ab, was geschätzt schon gute 5 Minuten dauert. Dies soll aber Infektionen vermeiden, da solche über die Wirbelsäule schnell eine Hirnhautentzündung auslösen können. Deshalb wird auch vorher geschaut, dass man keine Tattoos oder viele Pickel am Rücken hat; ein solcher Katheter ist dann nämlich nicht möglich.
Dann folgen zwei Spritzen in die Haut an der Einstichstelle, um sie ausreichend zu betäuben, bevor der eigentliche Einstich erfolgt. Die erste piekst nicht mehr, als ein normales Blutabnehmen. Die zweite drückt ein bisschen und führt zu einem komischen Gefühl im Rücken. Es fühlt sich an, wie ein leicht gestoßener Musikknochen, aber zieht einmal kurz über den Rücken zum Steißbein hin. Zu diesem Zeitpunkt ist die Spritze aber noch gar nicht in der Wirbelsäule, das kann also auch einfach Einbildung sein. Auf jeden Fall sind es keine Schmerzen, nur ein komisches Gefühl.
Nach der Betäubung ist kurz Pause und ich atme ein wenig durch. Trotzdem bin ich super nervös wegen des nun anstehenden Einstichs. Bei den Punktionen im Juni hatte ich noch die Erfahrung gemacht, dass Eingriffe auch trotz lokaler Betäubung sehr schmerzhaft sein können. Mein Vertrauen den zwei Spritzen gegenüber hält sich also in Grenzen.
Dann kommt aber die große Überraschung: Ich spüre genau gar nichts. Der Anästhesist hält mich am Rücken, drückt ein wenig rum und sagt: „Das war’s schon!“. Ich kann es kaum glauben. Er klebt den dünnen Schlauch fest, entfernt die Tücher am Rücken und ich kann mich wieder hinlegen. Ich spüre wie die gesamte Anspannung von mir abfällt und ich fast schon richtig entspannt bin.
Wenn du das hier liest, weil bei dir ein PDK angelegt werden soll, dann will ich dir Folgendes mit auf den Weg geben: Du wirst aufgeregt sein, weil jeder davor aufgeregt ist. Dem Gehirn gefällt die Vorstellung einfach nicht und da kannst du nicht viel gegen tun.
ABER: Es tut nicht weh, wirklich nicht. Es fühlt sich auch nicht super unangenehm an, auch wenn man sich das vorher so vorstellt. Und die Aufregung ist absolut nicht gerechtfertigt. Also traue dich, wenn die Ärzte dir einen PDK empfehlen. Und wenn du Fragen dazu hast, dann melde dich gerne!
Das war es dann auch mit Vorbereitung. Um 10:40 Uhr bekomme ich Propofol in die Vene und wenige Sekunden später schlafe ich ein.
Wieder wach
Als ich aufwache, sehe ich den bekannten Aufwachraum. Die Uhr zeigt auf 15:30. Schon in diesem ersten Moment merke ich, dass ich viel klarer im Kopf und auch fitter bin, als nach der Kolektomie im Juni. Ich kann sofort die Uhrzeit ablesen, das Atmen fällt nicht so schwer und ich fühle mich wach und ausgeruht. Deshalb schlafe ich auch nicht wieder ein, sondern fange an mich zu orientieren.
Zuerst schaue ich auf den Bauch und bin erleichtert: Mehrere kleine Pflaster aber kein großer Schnitt durch den Bauch! Es hat also wieder minimalinvasiv geklappt und mir wurden große Narben erspart. Die zweite schöne Erkenntnis sehe ich am Stoma: Der Beutel enthält schon ein wenig Flüssigkeit, das Stoma scheint also auch schon zu funktionieren.
Als ich meinen Hals abtaste, bin aber ein wenig verwirrt: Ich fühle keinen ZVK, der da eigentlich sein sollte. Der Zugang an der Hand ist aber auch raus. Für eine genauere Untersuchung bin ich noch zu durcheinander, am Abend klärt sich die Verwirrung aber: Der ZVK wurde am Schlüsselbein angelegt, dort habe ich ihn nur nicht gesehen. Dort ist er deutlich angenehmer, als am Hals und schränkt die Bewegung nicht ein. Deshalb habe ich auch nicht gemerkt, dass ich ihn überhaupt habe.
Meine Schmerzen sind auch eine große Überraschung. Zwar hatte ich auch bei der ersten OP keine starken Schmerzen, allerdings habe ich dort auch die Schmerzpumpe entsprechend häufig genutzt. Jetzt habe ich aber wirklich nahezu gar keine Schmerzen, was sich angesichts der Umstände und zahlreichen Schläuche am Körper wirklich komisch anfühlt. Die Schmerzpumpe gibt selbstständig einen gewissen Pegel an Betäubung in die Wirbelsäule. Darüber hinaus benötige ich aber keine weiteren Mittel und benutze die Pumpe kein einziges Mal.
Die Betäubung über den PDK wirkt aber. Als ich einmal meinen Arm neben mir ablege, spüre ich etwas Weiches und Warmes unter der Decke. Ich erwarte einen weiteren Drainage-Beutel gefunden zu haben und schiebe die Decke zur Seite. Was ich da gespürt habe, war meine Hüfte! Sie ist so taub, dass ich dort keine Berührung spüre und es sich anfühlt, als wäre sie kein Teil des Körpers. Der Effekt ähnelt einer eingeschlafenen Hand (ohne das Kribbeln) und hält vom Bauchnabel bis zu den Knien. Es fühlt sich wirklich verrückt an, verhindert aber natürlich jegliche Schmerzen in der Region. Abends spüre ich am Oberschenkel weder die Kälte des Desinfektionssprays, noch die Thrombose-Spritze. Crazy!
Zurück im Zimmer
Gegen 17 Uhr komme ich zurück auf mein Zimmer. Dort darf ich direkt in kleinen Schlucken trinken. Das klappt problemlos, sodass ich wenig später sogar ein Trinkjoghurt zum Abendessen bekomme. Ich vertrage auch das gut und bin positiv überrascht.
Die letzte Aufgabe des Tages ist dann erneut das Aufstehen. Dieses Mal geht die Initiative nicht nur von mir, sondern auch von den Pflegern aus. Ich bin guter Dinge und fest entschlossen, trotz aller Schläuche aus dem Bett zu kommen.
Dann ist es soweit: Ein junger Pfleger drückt vorsorglich für mich die Schmerzpumpe und positioniert sich vor dem Bett. Ich stütze mich über die Seite hoch und setze mich an die Bettkante. Das klappt überraschend gut und auch wieder deutlich besser, als im Juni. Nach einigen Sekunden Pause stehe ich langsam auf. Ohne Hilfe stehe ich einige Sekunden und schaue konzentriert Richtung Fenster. Der Pfleger fragt, ob alles in Ordnung sei und ich antworte „so langsam wird’s schummerig“.
Auf einmal ruft er laut den Namen einer anderen Pflegerin, jemand packt mich ruckartig unter den Schultern und ich liege im Bett. Was ist denn jetzt los denke ich mir?!
Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich es verstehe: Ich bin bewusstlos geworden; der Pfleger hat mich aufgefangen (Shoutout an Marcel 😉 ). Das Ganze ging nach meiner Ankündigung des Schwindels so schnell, dass ich gar nicht mehr reagieren konnte. Zwar kenne ich das Gefühl aus meinem ersten Colitis-Schub, allerdings war es dieses Mal gepaart mit den Narkose-Nachwirkungen stärker und plötzlicher. Bis die Ärztin und (gefühlt) die Pflegekräfte der gesamten Station um mein Bett stehen geht es mir aber schon wieder gut. Dank der reflexartigen Reaktion des Pflegers ist zum Glück auch nichts passiert; er hat mein gesamtes Gewicht aufgefangen und wieder ins Bett verfrachtet. Dafür ein großes Dankeschön!
Du hattest eine Narkose? Stehe niemals ohne professionelle Aufsicht das erste Mal auf! Auch wenn du dich vorher super fühlt: Wenn der Schwindel beginnt, kann es schon zu spät sein. Und nach einer OP bewusstlos auf den Boden zu knallen, hilft keinem.
Trotzdem: Ich stand alleine vor dem Bett und das Tagesziel ist damit erreicht. Den Abend über schreibe ich dann mit meiner Familie und Freundin, unterhalte mich mit meinen Zimmerkollegen und schlafe gegen 10 Uhr ein. Die Schmerzpumpe habe ich auch weiterhin nicht mehr benötigt; insgesamt geht es mir viel besser als erwartet. Ich bin einfach happy, dass nun auch die zweite OP schon hinter mir liegt.
Alle Beiträge der Serie „J-Pouch Erfahrungsbericht“ findest du auf der Übersichtsseite.
Quellen:
[1] Thöns M., Hait B. (2016) Schmerztherapie. In: Thöns M., Sitte T. (eds) Repetitorium Palliativmedizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-49325-0_3
[2] ForumMedizin, Kreisklinik Ebersberg
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